Die Grasländer der Alpen beherbergen eine außerordentliche pflanzliche Artenvielfalt. Jedoch ist die Gesamtheit dieser Diversität nicht immer leicht auf den ersten Blick zu erfassen, da einige Arten sich äußerlich sehr ähneln. Die Evolution dieser Gruppen findet also sozusagen im Verborgenen statt. Ein Beispiel für solch „kryptische Evolution“ ist die Gattung der Hainsimsen (Luzula), eine grasartige Pflanzengruppe aus der Familie der Binsengewächse (Juncaceae). Besonders die Arten innerhalb der Gruppe Luzula sect.Luzula, auch bekannt als Luzula campestris Aggregat, sind morpholgisch äußerst schwierig zu unterscheiden, weshalb nur wenig über ihre Verbreitung und evolutionäre Geschichte bekannt ist. Mittels moderner genetischer Methoden konnten wir anhand eines großen Datensatzes die evolutionäre Geschichte und Verwandtschaftsbeziehungen der ostalpischen Hainsimen rekonstruieren. Unsere Analysen zeigen, dass viele Arten innerhalb dieser Gruppe miteinander hybridisieren, was in einigen Fällen mit einer Verdopplung des gesamten Genoms (Polyploidisierung) einherging und zur Bildung neuer Arten führte. Andere Arten wiederum entstanden nicht durch Verdopplung, sondern durch Fragmentierung von Chromosomen. Neben den genetischen Untersuchungen erlauben umfangreiche Vegetationsaufnahmen außerdem einen Einblick in die ökologische Differenzierung der verschiedenen Arten, deren Nischen sich unterschiedlich stark unterscheiden. Zusätzlich liefern unsere Daten einen wertvollen Beitrag zu einem besseren Überblick über die Verbreitung dieser taxonomisch schwierigen und wenig erforschten Pflanzengruppe.
Valentin Heimer ist PhD Student in der Forschungsgruppe Biodiversität am Institut für Botanik der Universität Innsbruck. In seiner Forschung beschäftigt er sich mit der Evolution und Ökologie der Gattung Luzula. Einen Teil seines PhDs hat er am Institut für Alpine Umwelt von Eurac Research verbracht.