Eine Entdeckungsreise zum prähistorischen See in Sinich

Thema: Museum
23. November

In der Nähe von Meran finden wir heute ein enges Tal, das im Laufe der Zeit durch die Wirkung des Sinich Bach geformt wurde. Stellt euch aber vor, wir kehren zurück in die Zeit, als die Erde anders war als wir sie heute kennen.

Ein Sprung von 280 Millionen Jahren bringt uns zum Perm, einer Zeit, die durch die Bildung des Superkontinents Pangaea und die Dominanz der Reptilien geprägt ist. Wir stehen vor einem Gebiet, das vom Supervulkan von Bozen geprägt wird, einem der größten vulkanischen Komplexe, den die Erde je geschaffen hat, mit einer Nord-Süd-Ausdehnung von etwa 90 Kilometern und einer Ost-West-Ausdehnung von etwa 120 Kilometern – von Trient bis Meran.

 

Seine Ausbrüche haben eine permanente Spur im umliegenden geologischen Substrat hinterlassen. Dank dessen entwickelte sich ein Becken von Hunderttausenden von Quadratkilometern, in dem im Laufe der Zeit kleine Seen entstanden, darunter der von Sinich. Während einer Ruhephase in der vulkanischen Aktivität konnte das Leben an seinen Ufern gedeihen und ein reiches Ökosystem schaffen, in dem die Fülle an Wasser und die Verfügbarkeit von Nahrung einen üppigen Wald hervorbrachten, voll von einer ebenso blühenden Fauna.

 

Aber wie war es möglich, diese urzeitliche Welt im Detail zu rekonstruieren? Hier kommt der Paläontologe ins Spiel, eine Art Detektiv der Vorgeschichte, der jede Spur sammelt, die im Laufe der geologischen Zeitalter im Boden hinterlassen wurde. Mit Geduld setzen sie das Mosaik der Zeit wieder zusammen und hauchen den Tieren und Szenarien, die einst die Erde beherrschten, neues Leben ein.

 

Durch das Graben in den Ablagerungen von Sinich hat ein Forscherteam, darunter auch Mitarbeiter des Naturmuseums Südtirol, eine große Menge von Fossilien ans Licht gebracht, sie fanden zum Beispiel Wurzeln mit ausschließlich seitlicher Ausdehnung. Wir wissen daher, dass Pflanzen nicht in die Tiefe strecken mussten, um Wasser zu finden. Darüber hinaus haben sie Spuren von Bioturbationen entdeckt, kleinen Gängen, die von Organismen im Boden in Umgebungen knapp über dem Wasserspiegel gegraben wurden. Diese Funde, zusammen mit der feinen Sedimentart, die für Auen typisch ist, und dem Vorhandensein von kalkhaltigen Niederschlägen, deuten auf reichlich verfügbares Süßwasser hin.

 

Die große Menge an fossilen Pflanzen, darunter Wurzeln, Holzfragmente und Blattteile, ermöglicht es uns, die Zusammensetzung des permischen Waldes zu rekonstruieren, der von Gymnospermen dominiert wurde, einer Gruppe von Samen produzierenden Pflanzen, die bis zu 5 Meter hoch werden. Angesichts der Bedingungen können wir davon ausgehen, dass es im Ökosystem auch andere krautige Pflanzen gab, die aber nicht erhalten geblieben sind.

 

Die bedeutendste Entdeckung, ist zweifellos der Fund von tabellarischen Wurzeln mit rein seitlicher Ausdehnung und Holzfragmenten in den Sedimentgesteinen. Diese Funde gehörten höchstwahrscheinlich zu Koniferen, Bäumen mit nadelförmigen oder schuppenartigen Blättern. Bisher dachte man, dass Koniferen im Perm in saisonal trockenen Umgebungen wuchsen. Im Gegenteil, durch die Untersuchungen der Forscher wurde festgestellt, dass sie sich an wasserreiche Böden angepasst konnten, wie sie an den Ufern des Sinicher Sees zu finden waren. Diese Entdeckung hat bedeutende Auswirkungen auf das Verständnis der prähistorischen Pflanzen und ihrer Überlebensstrategien.

Die vorherrschende Umgebung der urzeitlichen euramerikanischen Zone war von einem sich ändernden Klima geprägt, das von tropischen Bedingungen zu einem allmählichen Austrocknen des gesamten Kontinents führte. Dieser Wandel führte zum allmählichen Verschwinden der permanenten Seen und Gletscher, die einst die präpermische Landschaft prägten, bekannt als „Eishausklima“. Die Analysen der Forscher deuten jedoch darauf hin, dass der in Sinich entstandene See fast 12 Millionen Jahre jünger sei als alle permanenten Seen, die im Rest des Kontinents entdeckt wurden, das letzte Zeugniss eines permanenten Sees in Euramerika.

 

Was ist also das Geheimnis von Sinich? Eindeutig war eines der bestimmenden Faktoren das lokale semifeuchte Klima, das sich von einem trockeneren Klima anderswo in Europa unterschied. Hier war die Menge an Niederschlägen ausreichend, um den See intakt zu halten, ohne dass er vollständig austrocknete. Darüber hinaus trug die besondere Zusammensetzung des Bodens, gekennzeichnet durch wenig durchlässige vulkanische Gesteine, dazu bei, das Wasser einzuschließen und eine ideale Umgebung für ein Gewässer zu schaffen.

 

Diese blühende Periode für das Leben in der Nähe des heutigen Sinichs hatte jedoch ein katastrophales Ende. Der Vulkan verursachte eine Bodenerhebung, die in einem plötzlichen Anstieg gipfelte, verursacht durch die Wechselwirkung zwischen vulkanischen und tektonischen Kräften. Diese Bewegung löste eine Dominoeffekt von Instabilität im Gebiet aus, beschleunigt durch heftige Regenfälle und Erdbeben, die zu einer tragischen Abfolge von Ereignissen führten. Es bildeten sich Schuttablagerungen, die wiederholt die Ufer des Sees überfluteten, alles auf ihrem Weg ertränkten und zerstörten und den Wald unter Schichten von Sediment begruben. Interessanterweise wurde diese Abdeckung zu einem Schutzschleier für die pflanzlichen Überreste, die sonst im Laufe der Zeit verschwunden wären. Der Boden verwandelte sich in ein Archiv der biologischen Geschichte für Millionen von Jahren, bis die Forschungsarbeiten der Wissenschaftler schließlich seine verschütteten Geheimnisse enthüllten.

 

Der Komplex des Supervulkans von Bozen spielte eine zentrale Rolle in der Entwicklung des Sees i Sinich und bei der Bildung des Ökosystems, das entlang seiner Ufer gedieh. Im Laufe der Zeit war der Vulkan der treibende Motor, der dazu beitrug, eine üppige Umgebung und einen fruchtbaren Lebensraum zu schaffen und zu unterstützen. Dieser Umstand verwandelte sich dann in eine zerstörende Kraft, die das entstandene Biom beendete, aber gleichzeitig seine Spuren für Hunderte von Millionen Jahren bewahrte.

 

Um mehr zu erfahren: S. Trümper et al. (2023), „A fossil forest from Italy reveals that wetland conifers thrived in early Permian peri-Tethyan Pangea” 

 

Federico Minotti, Praktikant für Paläontologie am Naturmuseum Südtirol und Magisterstudent für „Angewandte Geologische Wissenschaften“ an der Universität Turin

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